Note for English readers: There is also an English version of the interview with Nothing But Thieves available. Just click here to read. I hope you enjoy!
Zurzeit legt die aus England stammende Alternative-Rock-Formation Nothing But Thieves einen Senkrechtstart hin. Erst vor einem knappen Monat, am 16. Oktober, veröffentlichten sie ihr selbstbetiteltes Debüt-Album. Sie durften im Sommer bereits Muse bei ihrem Konzert am Rock In Roma supporten und hatten gerade eben ihre erste grosse Headline-Show im legendären Electric Ballroom in London. Zudem ist die komplette UK-Tour bereits ausverkauft, sodass für das Frühjahr 2016 weitere Termine angehängt werden.
Es lässt sich festhalten, dass es für die junge Band nicht besser laufen könnte. Sänger Conor Mason und Gitarrist Joe Langridge-Brown lernten sich bereits in der Schule kennen und begannen im Alter von 13 Jahren Musik zu machen. In der Oberstufe stiess mit Dom Craik ein weiterer Gitarrist zur Band. Im Gegensatz zu Joe, der sich das Spielen selber beigebracht hat, besuchte Dom bereits seit dem Alter von sechs Jahren den klassischen Unterricht. Mit Bassist Philip Blake sowie Schlagzeuger James Price wurde die Band komplettiert. Der Songwriter von Nothing But Thieves ist nicht wie sich vermuten lässt der Sänger Conor, sondern Gitarrist Joe.
Am vergangenen Freitag spielten die fünf Engländer nun endlich ihre erste Headline-Show in der Schweiz. Das Kinski war bereits seit geraumer Zeit ausverkauft, was bei einem Schweizer Konzert auch bei aufstrebenden Künstlern keine Selbstverständlichkeit ist.
Mit der Winterthurer Band Neckless wurde ein ausgezeichneter lokaler Support-Act gefunden, um diesen Abend zu eröffnen. In zwei Wochen (am 27. November 2015) erscheint ihre neue EP «Hopes & Heroes». Die Setlist bestand bis auf eine Ausnahme aus den Songs der neuen Auskopplung. Es war sicher ein guter Entscheid, sich mit dem neuen Material zu präsentieren, denn dem Publikum schienen Neckless bis zu diesem Zeitpunkt grösstenteils noch nicht bekannt gewesen zu sein. Der neue Sound ist etwas weniger theatralisch, aber genauso facettenreich, wie bis anhin. Von poppigeren Nummern wie «Light A Star» bis zu Rockausbrüchen in «Rage Against The Machine»-Manier ist alles vorhanden. Die neue EP kann bereits auf iTunes vorbestellt werden.
Ziemlich genau um 20:45 enterten Nothing But Thieves die Bühne im prall gefüllten Kinski – und wie sie das taten. Mit «Excuse Me», dem Opener ihres Erstlings, zeigten sie gleich, was sie auf dem Kasten haben. Die Stimme von Conor Mason fegte über das Zürcher Publikum und liess die Zuschauer beim Falsett-Gesang im Refrain mit offenen Mündern dastehen. Dass eine Band bereits beim ersten Song eine solche Präsenz aufzubauen vermag, spricht für das Potenzial der Engländer. Obwohl das Debüt erst seit kurzem erhältlich ist, wurden erstaunlich viele Textpassagen und Refrains mitgesungen.
Das Tempo wurde über das komplette Set kaum gedrosselt. Titel wie «Itch», «Hostage», «Wake Up Call» oder «Trip Switch» als Hymnen zu bezeichnen ist keine Übertreibung. Letzterer war sogar auf dem «FIFA 16»-Soundtrack enthalten, was dem Song ein breites Publikum verschaffte. Doch auch mit ruhigeren Nummern wie «Graveyard Whistling» vermochten Nothing But Thieves zu überzeugen. Berührungsängste zwischen Band und Publikum gab es zu keiner Zeit. Schlagzeuger James Price malträtierte sein Instrument bereits kurz nach Konzertbeginn mit nacktem Oberkörper und auch Goldkehlchen Conor musste sich rasch seines Langarmhemdes entledigen. Je grösser die Publikumsbeteiligung, desto breiter wurde das Grinsen auf den Gesichtern der einzelnen Bandmitgliedern.
Nach gut 50 Minuten Perfektion verabschiedeten sich Nothing But Thieves mit «Ban All The Music» vom begeisterten Publikum. Ganz nahbar mischten sich die fünf Engländer nach kurzer Pause unter das Partyvolk im Kinski. Auch das anstehende Kölner Konzert vom folgenden Tag konnte sie nicht von einem ausgelassenen Abend abhalten. Man darf gespannt sein, wie lange sich die Band noch so unbeschwert unters Volk mischen können, wenn bald ihre Popularität ansteigt. Der ultimative Durchbruch wäre den sympathischen Engländern auf jeden Fall sehr gegönnt und bereits im nächsten Jahr durchaus denkbar.
Die komplette Setlist gibt es hier.
Vor dem Konzert hatte ich die Möglichkeit die Band nach einem ausgedehnten Soundcheck zum Interview zu treffen. Anwesend waren Sänger Conor Mason, die Gitarristen Dom Craik und Joe Langridge-Brown sowie für ein kurzes Gastspiel Bassist Philip Blake. Vielen Dank für das unterhaltsame und unkomplizierte Gespräch.
Indiespect: Willkommen in Zürich! Wann seid ihr hier angekommen?
Joe: Heute. Heute Morgen. Wir waren gestern in Como und vorher in Holland. Morgen sind wir dann in Köln.
I: Ich habe gehört, dass ihr bereits einige Songs für euer zweites Album fertig habt. Habt ihr schon Pläne für eine Veröffentlichung in näherer Zukunft?
Dom: Im Moment ist das noch ziemlich vage. Der Plan ist es, dass wir mit diesem Album im nächsten Jahr auf Tour gehen und auf Festivals spielen. Wir hoffen, dass wir mit den Aufnahmen zu Album Nummer Zwei Ende 2016 beginnen können.
I: Aber ihr habt bereits fertige Songs?
D: Ja, ein paar.
Conor: Einige. Wir haben erst mit ein paar Ideen begonnen, vielleicht 10 bis 15 Tonaufnahmen. Ich bin mir sicher, dass es im Verlauf des nächsten Jahres noch einmal 40 bis 50 geben wird. Es ist erst ein Anfang, aber es ist ein guter Anfang. Und wir sind wirklich zufrieden mit der Entwicklung.
I: Es scheint also, ihr hättet bereits Pläne für die Festival-Saison im nächsten Jahr?
D: Ja, hoffentlich. Die Angebote für Festivals kommen langsam rein. Wir hatten tatsächlich schon viele von europäischen Festivals. Momentan können wir noch nicht sagen, an welchen wir spielen werden. Aber es könnten einige ziemliche in der Nähe von hier sein.
I: Vielleicht das Southside Festival in Tuttlingen?
D: Wir können noch nichts sagen…
J: Ich habe vom Southside gehört und von St. Gallen… Wir werden sehen.
I: Heute Abend ist euer erster richtiger Schweizer Gig, ist das korrekt?
D: Ja, so ist es. Wir haben eine Headline-Show ausverkauft. Das ist ziemlich cool.
I: Ihr habt schon im März dieses Jahres in Basel gespielt. Für die Energy Live Sessions.
D: Ja, Energy. Das war unser erster Vorgeschmack von einem Schweizer Publikum. Es hat damals wirklich Spass gemacht und deshalb freuen wir uns sehr auf heute Abend.
I: Was erwartet ihr vom Schweizer Publikum?
D: Ich weiss es nicht. Die restlichen Europa-Konzerte waren bisher alle sehr gut. Wenn das Publikum als ähnlich wie bei unseren bisherigen Konzerten ist, sollte es gut werden. Ich weiss nur nicht, wie sie 170 Menschen in diesen winzigen Raum bringen wollen.
I: Wenn wir schon über diese kleine Location sprechen. Wusstet ihr, dass das Kinski Ende dieses Jahres geschlossen wird?
C: Nein, das wussten wir nicht. Das passiert momentan tatsächlich ziemlich oft in der UK
D: Ja. Viele Veranstaltungsorte gehen verloren. Es ist schön, dass wir noch hier spielen können, aber es ist beschissen, dass der Club geschlossen wird. Das ist Müll!
I: Ihr hattet dieses Jahr eine richtig grosse Show, als ihr Muse am Rock in Roma supporten durftet. Wie seid ihr zu diesem Slot gekommen?
C: Der Tour-Manager von Muse hat von unserer Band gehört und Muse unsere Musik vorgespielt. Danach haben sie uns einfach gefragt. Es war wirklich ein ziemlich glücklicher Zufall. Wir kamen in Rom an und wussten nicht wirklich, was uns dort erwarten würde. Es war der Wahnsinn! 30’000 Menschen.
D: Es war die grösste Show, die wir je gespielt haben. Zuvor war das grösste Konzert an einem Festival mit ungefähr 5000 Zuschauern.
I: Merkt man, ob 5000 oder 30’000 Menschen vor einem stehen, wenn man spielt?
J: Es ist laut. Es ist sowas von laut!
D: Wenn die Zuschauer klatschen, ist es wirklich unglaublich. Die ganze Masse unter dir bebt. Das ist wirklich surreal.
I: Ich kann mir vorstellen, dass ihr sehr nervös wart, oder?
D: Ich glaube, die Nummer klingt beängstigender, als sie ist. Wir machen ja genau dasselbe wie immer, wir gehen raus und spielen. Wenn dir jemand sagt, dass mehr als 30’000 Menschen auf dich warten, klingt es furchteinflössend. Aber wir machen das nun schon seit Jahren und es ist irgendwie unser Job. Wir haben uns also daran gewöhnt.
I: Hattet ihr die Möglichkeit Muse nach dem Auftritt zu treffen?
D: Hatten wir leider nicht. Sie waren ziemlich schnell drin und wieder draussen. Sie hatten auch viel Familie dabei. Wir mussten aber selber gleich nach dem Auftritt gehen, weil wir in Belgien an einem Festival spielten. Manchmal hat man nicht einmal die Zeit für eine kurzen Moment innezuhalten und nachzudenken, weil alles so schnell geht.
I: In einem Interview habe ich gehört, dass es für euch manchmal schwierig war, wenn ihr an einem Festival gespielt habt. Früher seid ihr als Zuschauer dorthin gegangen und konntet Bier trinken und feiern. Jetzt seit ihr quasi im Dienst. Findet ihr überhaupt noch Zeit für Party?
C: Wir feiern definitiv noch immer!
J: Ja, das können wir immer noch. Wir sind momentan in einem Stadium, in welchem wir noch nicht über die Massen bekannt sind. Nur ein bisschen. Wir können uns also immer noch nach unserem Auftritt unters Publikum mischen und die nächste Band anschauen.
D: Es gibt vielleicht jemanden in 10’000 Menschen, der dich erkennt. Wenn wir alle nebeneinander stehen, ist es vielleicht etwas schlimmer.
I: Heute haben vor Türöffnung bereits junge Damen beim Eingang gewartet. Ihr scheint also doch schon Groupies zu haben.
J: Bei unseren eigenen Konzerten ist es offensichtlich etwas anders. Aber wenn wir an Festival spielen, ist das weniger der Fall.
C: Und die waren im Sommer. Es hat erst danach angefangen. Im Frühsommer war es noch ganz entspannt. Wir konnten einfach so rumlaufen.
D: Vor unserem letzten Konzert in London, im Electric Ballroom standen Fans bereits lange Zeit vor Türöffnung Schlange. Das ist der Zeitpunkt, wenn du durch den Hintereingang in die Location reingehen musst um sie zu meiden. Ich meine nicht sie zu meiden, das klingt falsch. Aber wenn du noch Dinge erledigen musst, könnte es etwas überwältigend sein. Es ist ziemlich neu für uns, aber wir versuchen alle zu treffen, die wir können. Wir finden es schön, denn das sind alles Fans von unserer Musik. Und es wäre komisch, wenn wir uns von ihnen abgrenzen würden.
I: Conor, du hattest kürzlich Probleme mit deiner Stimme und ihr musstet zwei Konzerte absagen. Ist alles wieder in Ordnung?
C: Ja. Ich war für eine Woche krank und es dauerte eine Weile um wieder gesund zu werden. Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung. Hier bin ich also. Heute hatte ich ein bisschen Reizhusten, aber ich trinke ein bisschen Zeug und alles wird gut sein.
I: Gibt es irgendeine Story, die ihr noch nie erzählen konntet? Eine Bandgeschichte? Oder einfach eine komische Geschichte?
D: Da wird es sicher etwas geben, gib uns einen Moment. Phil, fällt dir irgendeine schräge Story ein, die wir erlebt haben?
Phil: Hmm. Ich habe mal einen Geist gesehen. Danach habe ich gedacht, dass ich gar nicht an Geister glaube und dann war da auf einmal kein Geist mehr.
(Gelächter überall)
J: Das ist eine tolle Geschichte
D: Wir haben viele Geschichten, aber die können wir nicht teilen. Manchmal können wir sie nicht einmal untereinander teilen. Aber ich glaube wir haben noch keine Sex-Videos.
J: Haben wir, haben wir.
D: Vielleicht weiss ich einfach nichts davon
I: Wenn ihr in Städten ankommt, habt ihr dann überhaupt noch Zeit diese am Tag zu erforschen?
D: Normalerweise nicht. Gestern hatten wir einen freien Tag in Como, das war herrlich. Wenn wir Konzerte haben müssen wir natürlich Soundcheck machen. Und dann sind da die langen Stecken, die wir fahren müssen. Du kommst zum Veranstaltungsort, machst Soundcheck, gibst Interviews und machst andere Presse. Danach spielst du das Konzert und fährst zum Hotel.
J: Das Nachtleben bekommen wir mehr mit. Wir sehen die Städte nicht wirklich, aber in der Nacht können wir ausgehen.
D: Wir sind zufrieden damit. Aber es ist natürlich auch schön, wenn man mal einen Tag frei hat und etwas unternehmen kann.
J: Wir tendieren dazu die dunkle Seite einer Stadt kennenzulernen, viel mehr als die schönen Dinge.
D: Ganz genau. Wir gehen morgens um vier die zwielichtige Gassen entlang.
I: Muss euch euer Tour-Manager auch manchmal stoppen?
D: Nein, er ist der schlechte Einfluss, den wir haben. Gestern ist er weggegangen, während wir zuhause geblieben sind. Er war bis zwei Uhr aus. Wenn wir wissen, dass wir etwas wirklich Wichtiges am nächsten Tag zu tun haben, stürzen wir nicht ab.
J: Wir haben auch gelernt, richtig gut mit einem Kater zu spielen. Das Adrenalin beim Spielen ist die beste Kater-Kur.
C: Also ich kann das nicht, aber diese Jungs könnens.
D: Unsere Alkohol-Toleranz ist im Moment so hoch, dass ich problemlos einige Bier vor dem Konzert trinken könnte und alles ist in Ordnung. Oder für uns ist der Kater so allgegenwärtig, dass wir und schon daran gewöhnt haben. Ein bisschen besorgniserregend. Lass das nicht meine Mutter wissen. Obwohl, es würde sie nicht interessieren.
(Grosses Gelächter)
I: Wer schreibt all eure Texte? Es bist nicht du Conor, oder?
C: Es ist Joe.
I: Das ist ziemlich ungewöhnlich, dass der Sänger nicht die Texte schreibt.
J: Ziemlich ungewöhnlich, ja. Aber es gibt Bands, die das so machen. Led Zeppelin haben es beispielsweise auch so gemacht. Bei uns ist das einfach so passiert.
I: Du hast aber nie daran gedacht, selber zu singen?
(Joe lacht)
J: Hast du ihn (Conor) singen gehört? Warum sollte ich es also überhaupt probieren?
C: Wir waren alle sehr jung, als wir begonnen haben. Damals haben wir einfach so angefangen.
D: Joe ist ein guter Songwriter. Und ich glaube das war das erste Kompliment, welches Joe überhaupt von mir erhalten hat.
J: Ich muss mir diesen Tag merken. Dom hat mir ein Kompliment gemacht.
D: Ich glaube es war das thailändische Bier, Kumpel. Es macht mich verrückt und lässt mich nett zu Leuten sein.
I: Dann solltest du auf jeden Fall viel Bier trinken!
D: Ich sollte definitiv mehr trinken. Genau! (lacht)