Madsen: Nachholtermin in weniger als zwei Wochen auf die Beine gestellt
Mangelnden Einsatz kann man Madsen wahrlich nicht vorwerfen. Am 12. April hätten sie bereits im Salzhaus Winterthur auftreten sollen. Nur eine Stunde vor Türöffnung musste das Konzert sehr kurzfristig abgesagt werden. Die Bühne war bereits aufgebaut und die Musiker vor Ort. Damals entschuldigten sich die gesunden Mitglieder von Madsen direkt bei den Fans und verbrachten den Abend beim stattdessen stattfindenden Gratis-Konzert von Cold Reading. Das Salzhaus hatte die Bar trotzdem geöffnet und ermöglichtem dem Support-Act aus Luzern den Gig trotz Absage des Headliners. Cold Reading spielten vor gut gefülltem Haus und konnten mit ihrer Spontaneität viele Sympathiepunkte sammeln. Nur wenige Tage später stand bereits ein Ersatzdatum fest. Die Wiederholung wurde auf gestern festgesetzt und der Support durfte wiederum für die zu Kräften zurückgekehrten Madsen eröffnen. Dass sie etwas wiedergutmachen wollten, spürte man bei jeder Note von Madsen. So wurde der Abend wohl dank der unglücklichen Verschiebung denkwürdiger, als er es geworden wäre, hätte alles wie geplant stattfinden können.
Für Cold Reading ist der Auftritt im Salzhaus schon fast ein Heimspiel.
Cold Reading: Gewappnet für den Ernstfall
Durch den Ausfall von Madsen konnten Cold Reading in den letzten Wochen zusätzliche Live-Erfahrung in neuer Besetzung sammeln. Bereits am 12. April wussten die Luzerner um Sänger Mike Portmann zu überzeugen. Den ausführlichen Bericht könnt ihr hier noch einmal nachlesen. Jetzt wo alles wie geplant vonstatten geht, wirkt die Band sogar noch selbstbewusster und dynamischer. Sie haben sich mit ihren Auftritten nicht nur bei den Fans, sondern auch bei Madsen ihren Respekt erarbeitet. Cold Reading waren nämlich nebst der Flexibilität der Salzhaus-Crew der Grund, warum der 12. April trotz Absage kein Reinfall wurde. Am 24. Mai erscheint unter dem Titel Past Perfect der erste Teil einer dreiteiligen EP-Serie. Dann gibt es nach der Vorab-Single Through The Woods, Pt. 1 endlich neue Musik zu hören.
Wieder auf den Brettern, wo er hingehört: Sebastian Madsen
Madsen haben das Festival-Gen verinnerlicht
Sebastian Madsen wirkt wieder so fit, wie er es für eine richtige Madsen-Show sein sollte. Er packt gleich von Beginn weg die grossen Festival-Gesten aus. Der Sänger steht auf die Monitorboxen und animiert zum Mitklatschen und Tanzen. Hier will jemand den Fans, als Entschuldigung für die Absage, einen ganz speziellen Abend bieten. Mit Wenn es einfach passiert starten Madsen ihren Eroberungs-Feldzug der Herzen im Salzhaus. Bei Sirenen fliegen ihnen diese schon förmlich zu. Ausgelassene Stimmung hält in Winterthur Einzug. Sebastian Madsen erzählt, dass sie die Absage bis zuletzt hinausgezögert hätten, weil sie unbedingt spielen wollten. Doch mit seiner Stimme hätte er maximal eine halbgare und verkürzte Show spielen können. Stattdessen seien sie nun zurück um ein extra langes Set abzuliefern.
Sascha Madsen wird übernimmt bei «Nachtbaden» den Leadgesang und das Crowdsurfen.
Nachtbaden in der Menge
Nach Mein Herz Bleibt Hier und Rückenwind wird mit Nachtbaden ein richtiger Festival-Hit ausgepackt. Sascha Madsen übernimmt für den ersten Teil des Songs den Leadgesang und wird in Socken zum Crowdsurfer. Seinen Platz hinter dem Schlagzeug nimmt Sänger Sebastian ein, der in seinen Jugendjahren bei Ganz klar! ebenfalls hinter den Drums sass. Auch der Johannes, der dritte der Madsen-Brüder darf bei Kein Mann für eine Nacht einmal den Lead am Mirofon übernehmen. Du schreibst Geschichte widmen Madsen bei jedem Auftritt einem Flüchtling, der es geschafft hat, in Europa eine neue Existenz aufzubauen, seit der Song von der rechtspopulistischen AfD in Deutschland für politische Zwecke missbraucht wurde. Liebe ist neben der Politik das zweite grosse Thema der Deutschen. Die erste grosse Liebe wird bei Mein erstes Lied ohne Wehmut beschrieben. Es ist einer der stärksten Songs vom neusten Album Lichtjahre und er kommt auch bei den Fans in Winterthur gut an. Im Duett mit Lisa Who geht es bei So cool bist du nicht gefühlvoll weiter. Hier werden mehr echte Feuerzeuge, statt Handys in die Luft gehalten.
Madsen entfliehen den Gewohnheiten
Spontan wie selten: Madsen zerbrechen die Setlist
Weil Sebastian Madsen jetzt spontan eher Lust auf eine Runde Pogo hat, werden die Setlisten-Plätze von Kompass und der Madsen-Interpretaion der Comedian Harmonists-Komposition Irgendwo auf der Welt getauscht. Es ist der Wendepunkt des Abends. Nun scheinen die Wendländer in Experimentierlaune zu sein. So spielen sie das selten gewordene Ein Sturm exklusiv in Winterthur und gehen auf Fan-Wünsche ein.
Ein Sturm kommt auf
Und zieht uns hinaus
Und ganz plötzlich sind wir wach
Ein Sturm kommt auf
Und reißt uns hinaus
In die Dunkelheit der NachtEin Sturm, Madsen
Die Ärzte sind ohne Zweifel eine der prägendsten Bands der deutschsprachigen Musik. Ihre Fans haben aber eine ziemlich nervige Angewohnheit. Bei jedem Konzert, bei dem nicht ihre Götter Bela, Farin und Rod auf der Bühne stehen, verlangen sie mit den Worten Wir wollen die Ärzte sehn ihre Helden, egal wer gerade auftritt. Auf diesen deplatzierten Ausruf kommt auch ein Fan im Salzhaus. Doch kaum eine Band reagiert so charmant und spontan wie Madsen. Kurzerhand stimmen sie den Ärzte-Klassiker Schrei nach Liebe an, worauf das Publikum begeistert und lauthals einstimmt. Nach dem ersten Vers und dem Refrain brechen die Wendländer ab und fragen den Ärzte-Fan, ob das zufriedenstellend war und ob jetzt auch die Madsen wieder in Ordnung wären. Sänger Sebastian Madsen tut dies ohne Groll oder Ironie in der Stimme. Unbewusst hat der weibliche Fan mit ihrem Zwischenruf für einen aussergewöhnlichen Konzertmoment gesorgt.
Alles geht auf Kommando in die Hocke.
Die Perfektion: Da geht sogar Motörhead in die Hocke
Das ganze Salzhaus geht für die Bridge von Die Perfektion in die Hocke. Sogar ein Fan im Motörhead-Shirt, der anfangs seine Mühe mit der Aufforderung hat. Kaum setzt der Refrain ein, springt das gesamte Haus in die Höhe und feiert ausgelassen. In den Song flechten Madsen den The Clash-Klassiker Should I Stay or Should I Go. Anschliessend verlassen die Madsen-Brüder und ihre erweitere Musikerfamilie ein erstes Mal die Bühne.
Lass die Musik an: Ein Ende mit Herz
Den Auftakt der Zugaben macht Leuchttürme, der letzte Song des Albums Kompass (2015), der im Original mit Unterstützung von Sänger Aki Bosse aufgenommen wurde. Am Leuchtturm vorbei wenden Madsen ihr Schiff wieder von der Setlist weg und spielen stattdessen Mit dem Moped nach Madrid. Der Ausbruch aus der Gewohnheit scheint auch der Band zu gefallen. Die Worte wir sind so spontan wie schon lange nicht mehr, kommen mit einem grossen Grinsen aus dem Mund von Sebastian Madsen. Den krönenden Abschluss liefert die Band jedoch wie gewohnt mit Lass die Musik an. Still und laut, Festivalchöre und eine eingängige Melodie – dieser Track weist die perfekte Madsen-Mischung auf.
Lass die Musik an: Das Salzhaus Winterthur in Ekstase
Fazit
Manchmal muss etwas schief gehen, damit etwas noch besseres entstehen kann. Dies trifft auf den Auftritt von Madsen mit Sicherheit zu. Die Band gibt beim Nachholtermin alles und die Stimmung ist intimer als von der grossen Festivalband gewohnt. Mit speziellen musikalischen Geschenken seitens Madsen schaffen die Musiker einen Abend, der noch lange in den Köpfen der Fans haften bleiben wird.