Sam Himself im Papiersaal: Der Funke hat in Zürich wieder gezündet.

In Reviews by indiespect

Die aktuellen Tage sind eher geprägt von Konzertverschiebungen und -absagen als von Liveshows. Eine der erfreulichen Ausnahmen war das gestrige Konzert von Sam Himself im Papiersaal Zürich. Dem Ruf des Basler Baritons sind zahlreiche Fans gefolgt, sodass er und sein Support-Act Sivilian in wunderschönem Ambiente auftreten konnten. Für Sam Himself war es das erste Konzert des Jahres, aus einer gewissen Nervosität mache er keinen Hehl.

Sivilian und die grosse Frage nach dem Älterwerden

Eröffnet wird der Abend vom Thuner Sänger Sivilian. Er überzeugt mit Songs von seiner ersten EP Invisible to Automatic Doors, aber auch wenn bei einem Cover-Mash-Up Shape Of You auf Baby One More Time trifft. Sogar vom Älterwerden handelt eine Komposition, eine Angelegenheit, die den Musiker offensichtlich umtreibt. Er habe erst vor Kurzem einen Geburtstag gefeiert, der ihn beschäftige. Für das Publikum gibt es keine Auflösung, welches hohe Alter er wohl erreicht haben könnte. Doch optisch dürfte Sivilian eher frische 20 Jahre jung geworden sein – ausser er beherrscht die Kunst des Nichtalterns, im Stil von Dorian Grey. Die eingangs erwähnte EP und ihr gleichnamiger Titelsong sind sehr empfehlenswert. Bisher gibt es dies fünf Songs leider nur digital zu geniessen. Als Merchandising hat Sivilian stattdessen ein Cap im Angebot, das passend zu einem seiner Tracks, den Schriftzug Dead Inside trägt. Perfekt für das Team-Meeting am Montagmorgen.

Sivilian

Der Thuner Musiker Sivilian eröffnet auf der aktuellen Tour mehrere Konzerte von Sam Himself.

Sam Himself: Eine Stimme, die unter die Haut geht

Egal, ob Sam Himself gerade einen Song anstimmt oder eine Ansage macht, seine Stimme ist eine Naturgewalt. Tief, kräftig und zugleich süss wie Honig, der Basler hat sich mit seinem Organ in den letzten Jahren zu einem der besten Schweizer Acts gesungen. Nach seiner vielversprechenden EP Slow Drugs veröffentlichte der Wahl-New-Yorker im Oktober 2021 sein Debütalbum Power Ballads. Die Lobeshymne darauf könnt ihr hier noch einmal nachlesen. Brando, der Opener des Albums, eröffnet zugleich das Set im Papiersaal. Nach dem ruhigen Einstieg folgt mit Nothing Like The Night bereits ein Track mit Hitpotenzial. Im Laufe des Abends stellt man rasch fest, dass diese Auszeichnung auf praktisch jeden Song aus der Feder von Sam Himself zutrifft.
Sam Himself

Sam Himself tigert auf der Papiersaal-Bühne umher.

Ein spitzbübisches Lachen und Flausen im Kopf

Was sich alles im Sänger abspielt, während er seine gefühlvollen Kompositionen wie La Paz oder Cry vorträgt, weiss nur der blondierte Basler selbst. Es wirkt beinahe so, als würde er ständig etwas aushecken. Natürlich gibt es Anekdoten zu seinen Bandkollegen, im Fokus steht oft Bassist Georg Dillier. Diesem hat er seinen eigenen Hashtag #GeorgDillierFansCH gewidmet. Dass es diesen Hashtag aauf ein Shirt gedruckt zu kaufen gibt, dürfte eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sein. In der Mitte des Sets, genauer bei Like A Friend (ein weiterer Hit!) brechen die Flausen aus dem Kopf in den Körper aus. Sam Himself nutzt eine Stange oberhalb der Bühne als Trainingsgerät für einige Klimmzüge. Obwohl diese sich unter seinem Gewicht bedrohlich windet und beugt, macht der Sänger einen weiteren Zug, bevor er seine Füsse wieder auf die Bühne setzt und die Aktion mit einem Schulterzucken quittiert. Im Anschluss an die Akrobatik-Einlage folgt eine traumhafte Performance von Slow Drugs – einem Ohrwurm par excellence.
Sam Himself

Der Papiersaal ist beim Konzert von Sam Himself sehr gut gefüllt.

Maybe Alison: Rote Lippen und grüner Lamborghini

Ein Highlight inmitten von Highlights stellt Maybe Alison dar. Auch dieses Lied ist, wie die letzten beiden Stücke, ein Vertreter der Slow Drugs-EP. Durch den Umstand, dass das Debütalbum Power Ballads seit dessen Erscheinung so präsent war, gerieten die älteren Tracks in letzter Zeit etwas in den Hintergrund. Doch spätestens bei den prägnanten Piano-Klängen ist die Erinnerung auf einen Schlag wieder da. Zusätzlich erscheint ein Bild vor dem inneren Auge. Sam Himself mit wasserstoffblonden langen Haaren, aufgedonnert und mit hohen Schuhen, in einem grünen Lamborghini (Bewegtbilder gibt es hier). Der eher ruhigen Studioversion wird durch die Live-Performance eine neue, kraftvolle Ebene verliehen.

Maybe Allison was right
Selfish lovers don’t think twice
And we’re too old to waste our time
Looking for something we’re too young to find

Maybe Alyson, Sam Himself
Sam Himself

Bassist Georg Dillier und Gitarrist Benjamin Noti haben ebenfalls ihren Spass.

Sam Himself: Der junge Bruce Springsteen tanzt in der Dunkelheit

Mit July, einem Stück von der EP Songs in D (2017) verabschiedet sich der Basler vom Zürcher Publikum. Unter Applaus lassen er und seine Band sich im Anschluss jedoch nicht lange bitten. Nobody eröffnet den Zugabeblock. Der Track ist ein Jahr später entstanden, zu einer Zeit in welcher der Musiker deutlich öfter in New York als in der Schweiz aufgetreten ist. Das Auftrittsverhalten hat sich zugunsten der Schweiz gedreht, seit Sam vor zwei Jahren, bei Beginn der Corona-Pandemie, in seinem Heimatland gefangen war und nicht mehr in die USA reisen konnte.

You can't start a fire
You can't start a fire without a spark
This gun's for hire
Even if we're just dancin' in the dark

Dancing in the Dark, Bruce Springsteen
Eine Doppel-Hommage an Bruce Springsteen folgt mit einem Medley aus I’m On Fire und Dancing in the Dark. Songs, die wie für Sam Himself gemacht scheinen. Den Schlusspunkt setzt noch einmal eine Komposition von 2017, das melancholische Out of Love. Trotz seiner oft Moll-lastigen Stücke, lässt Sam Himself seine Fans mit einem warmen und frohen Gefühl zurück.
Sam Himself

Der Papiersaal wäre eine schöne Location für einen nächsten Videoclip von Sam Himself

Fazit

Eigentlich war es ja schon vorher klar: Livemusik macht glücklich. In den letzten zwei Jahren mussten sowohl Musiker als auch deren Fans auf diese Oase des Glücks verzichten. Umso schöner wird es, wenn die Welten wieder aufeinander treffen. Sivilian und Sam Himself haben dafür gesorgt, dass der Funke neu entfacht wird – ganz im Sinne von Bruce Springsteen: you can’t light a fire without a spark.