Interview mit Birdy: Dieses Album wurde für die Bühne und für Auftritte vor Publikum gemacht.

In Highlights, Interviews by indiespect

Birdy hat gerade ihr fünftes Studioalbum «Portraits» veröffentlicht. Es schlägt ein neues Kapitel für die Sängerin auf. Die Veränderungen sind beim Betrachten des Artworks und der Musikvideos sichtbar, aber auch musikalisch wagt sich Birdy in neue Gewässer. Das Ergebnis ist ein wunderbares Album, das sich auch beim Hören in Dauerschleife nicht abnutzt. Als sie im April 2023 Zürich besuchte, war bereits ein Interview geplant. Aufgrund von Krankheit (nicht von Birdy) kam es aber leider nicht zum persönlichen Treffen. Doch nun ist die Zeit gekommen, das überfällige Gespräch via Zoom nachzuholen.

Editors are:

Tom Smith (vocals, guitar, keys)
Russell Leetch (bass)
Ed Lay (drums)
Justin Lockey (guitar)
Elliott Williams (synths, guitar)
Benjamin John Power (synths)

Indiespect: Ich bin begeistert von deinen neuen Album. Die Dynamik zwischen Upbeat-Songs und Balladen ist perfekt und trägt viel Kraft in sich. Es fühlt sich auch wie eine grosse Veränderung für dich an, was den Sound angeht. War es schwierig für dich, diese neue Richtung einzuschlagen?

Birdy: Nein, es fühlte sich wie ein natürlicher Übergang von der letzten Platte an, die genau das Gegenteil war. Es war fast ein Folk-Album, zudem sehr traurig und intim. Ich habe fünf Jahre damit verbracht und konnte so etwas einfach nicht noch einmal machen. Ich hatte es so sehr vermisst, live zu spielen, als wir im Lockdown waren. Dieses Album wurde für die Bühne und für Auftritte vor Publikum gemacht. Und um Energie und Bewegung zu spüren.

Dieses Album wurde für die Bühne und für Auftritte vor Publikum gemacht. Und um Energie und Bewegung zu spüren.

birdy über «Portraits»

Indiespect: Die Tour Anfang des Jahres muss ziemlich speziell für dich gewesen sein. Eigentlich sollte es die Tour für dein letztes Album «Young Heart» sein. Aufgrund der Pandemie wurde sie jedoch verschoben und fand schliesslich zwischen zwei Alben statt. Wie hat es sich angefühlt, in dieser Zwischenphase auf Tour zu gehen?

Birdy: Das war schon seltsam. Ich war traurig, dass ich mit Young Heart nicht richtig touren konnte, weil ich denke, dass es live wirklich zum Leben erwacht ist. Es war wirklich wunderschön. Aber ich hatte mich bereits in diese andere Welt begeben, und als ich dann wieder unterwegs war, dachte ich: Wer bin ich? Ich weiss nicht, welche Person ich auf der Bühne bin (lacht). Ich habe es wirklich genossen, die alten Songs zu spielen, die wirklich alten Songs von der ersten Platte. Einfach, weil die Leute sie schon lange nicht mehr gehört hatten und wir sechs Jahre lang nicht mehr auf Tour gewesen waren. Die Leute wurden richtig emotional. Vielleicht haben sie die Platten gehört, als sie 15 waren, und dann sind wir zusammen erwachsen geworden. Ich habe das auf dieser Tour sehr genossen.

Birdy

© Thibault-Théodore

Für Birdy hat eine neue Ära begonnen - auch visuell.

Indiespect: Hast du vor, für «Portraits» mit einer richtigen Tour in die Schweiz zurückzukommen?

Birdy: Ich würde sagen, ja. Der Plan ist, auf Tour zu gehen, aber wir sind gerade am planen, wo wir anfangen sollen. Zunächst geht es wahrscheinlich für eine Weile nach Amerika. Es ist schwierig, weil wir gerade eine Europatournee hinter uns haben. Aber ich glaube schon, dass wir zurückkommen – und dann wird es natürlich mehr auf Portraits ausgerichtet sein. Wir wollen definitiv mehr live spielen.

Ursprünglich wollten wir Paradise Calling nicht veröffentlichen, aber ich hatte das Gefühl, dass dies ein wirklich besonderer Song auf dem Album ist und ich wollte ihm die Chance geben, in der Welt zu sein, bevor die Platte erscheint.

Birdy über die veröffentlichung des albums

Indiespect: Die Veröffentlichung des Albums war für Juli geplant und wurde um einen Monat nach hinten verschoben. Was ist der Grund für diese Entscheidung?

Birdy: Das ist wahr. Ich wollte noch ein bisschen mehr von der Platte zeigen, bevor sie herauskommt. Ursprünglich wollten wir Paradise Calling nicht veröffentlichen, aber ich hatte das Gefühl, dass dies ein wirklich besonderer Song auf dem Album ist und ich wollte ihm die Chance geben, in der Welt zu sein, bevor die Platte erscheint. Es sind natürlich auch andere Dinge. Es gibt Faktoren, die in eine solche Entscheidung einfliessen und es machte einfach Sinn, die Veröffentlichung so zu planen..

«Paradise Calling» kommt mit einem sehr künstlerischen Musikvideo daher. Der Tanz wird ohne Zweifel in die Geschichte von Birdy eingehen.

© Stefan Tschumi

Indiespect: Ich habe eine Live-Version von «Paradise Calling» in der St. Johns Church in Kingston gesehen und es war eine sehr reduzierte Pianoversion. Wirst du auf der Bühne eher eine auf Klavier basierende Version spielen?

Birdy: Wenn ich mit der Band auftrete, wird es die Version sein, die auch auf der Platte ist. Aber wenn ich alleine bin, kann ich es natürlich nicht so spielen. Aber ich war selbst überrascht. Alle Songs sind entweder basierend auf einem Synthesizer oder zu Schlagzeug. Trotzdem funktionieren alle sehr gut auf dem Klavier und klingen sehr schön. Es ist toll, auch diese Version von ihnen zu haben.

Indiespect: In Interviews hast du erzählt, dass du dich für Kunst im Allgemeinen interessierst, auch für Malerei. War der dunklere und mystischere Look dieser Platte deine Idee?

Birdy: Du meinst die Fotografie?

Dann hat er mir für das erste Bild, das wir gemacht haben, eine Perücke und ein Kleid angezogen.
Er machte ein Foto und ich dachte: Das sieht mir gar nicht ähnlich. Das ist es einfach nicht.

birdy über den entwicklungsprozess der visuals

Indiespect: Auch die Musikvideos. Der ganze Look und der Vibe, der damit verbunden ist.

Birdy: Zu Beginn der Aufnahmen zu dieser Platte war ich mehr visuell als musikalisch inspiriert. Ich hatte eine Vorstellung davon, wie alles aussehen sollte, und es ging in Richtung Gothic und eine Art Dickensian [eine britische Fernsehserie]. Ich wurde von PJ Harvey und Patti Smith inspiriert. Dann lernte ich Thibault-Théodore kennen, den Fotografen, der Albumcover und die gesamte Bildsprache umgesetzt hat. Ich habe ihm viele Bilder gemalt, weil ich ihm nicht erklären konnte, wie ich es haben wollte. Er hat gesagt: Ich glaube, ich weiss, was du meinst (lacht). Dann hat er mir für das erste Bild, das wir gemacht haben, eine Perücke und ein Kleid angezogen. Er machte ein Foto und ich dachte: Das sieht mir gar nicht ähnlich. Das ist es einfach nicht. Er sagte: Okay, nimm die Perücke ab. Dann haben wir ein weiteres Bild gemacht und er hat das vorherige Foto mit der Perücke darauf projiziert.

Indiespect: Ah, daraus ist dann das Albumcover geworden!

Birdy: Ich dachte nur, das ist so clever und so schön, dass er diese Vorstellung in seinem Kopf hatte, wie es zusammenpassen würde. Für mich sieht die Projektion aus wie ich als Kind, als ich jung war. Daneben bin ich als Erwachsene – und das liebe ich.

Birdy

© Birdy via Twitter

Birdy schreibt nicht nur schöne Lieder, sondern ist auch eine begabte Malerin.

Indiespect: Als Künstlerin hast du viele intime und ruhige Lieder veröffentlicht. War es auch eine Entscheidung, eine Art Mauer zwischen dir und der neuen Birdy zu errichten, weil du nicht mehr als die süsse, zerbrechliche und verletzliche junge Sängerin gesehen werden wolltest?

Birdy: Nein, ich glaube nicht, dass es eine Entscheidung war. So fühle ich mich einfach nicht. Ich fühle mich selbstbewusster in dem, was ich bin und in meiner Haut. Es ist nicht so, dass ich nicht mehr diese zerbrechliche Person sein will, vielleicht bin ich es nur nicht mehr so sehr – was schön ist. Manchmal war die Musik empfindsam, aber ich glaube nicht, dass ich wirklich so zerbrechlich war, wie die Musik vielleicht schien. Ich hatte schon immer eine innere Stärke, die mich antreibt, und ich bin froh, dass man das jetzt ein bisschen mehr sieht.

Ich glaube nicht, dass ich wirklich so zerbrechlich war, wie die Musik vielleicht schien. Ich hatte schon immer eine innere Stärke, die mich antreibt, und ich bin froh, dass man das jetzt ein bisschen mehr sieht.

Birdy über ihre innere stärke

Indiespect: Du hast einmal in einem Interview gesagt, dass du in deiner Jugend ziemlich ernst gewesen bist, weil du es gewohnt warst, auf der Bühne zu stehen und von Erwachsenen umgeben zu sein. In der Zwischenzeit hättest du während des Älterwerdens dein inneres Kind kennengelernt. Hast du das Gefühl, etwas verpasst zu haben, weil du schon als Teenager aktiv warst?

Birdy: Ja, das habe ich. Ich war die ganze Zeit mit einer Menge anderer Leuten zusammen und das ist irgendwie beängstigend. Man weiss noch nicht wirklich, wer man ist, und ist gleichzeitig in einer sehr erwachsenen Welt. Es ist ein grosser Druck, etwas zu veröffentlichen, das die Leute beurteilen, wenn man noch versucht, sich selbst zu finden. Ich habe das alles sehr ernst genommen und dachte, alles muss perfekt sein. Ich hatte wirklich Angst, etwas Falsches zu tun oder zu sagen. Aber jetzt, im Nachhinein, sehe ich, dass es genau das braucht, um herauszufinden, wer man ist. Man muss Fehler machen und Dinge tun, die man vielleicht nicht mag. So findet man heraus, was man liebt. Manchmal war es auch schwer, nicht bei meiner Familie zu sein. Gleichzeitig bin ich dankbar dafür, dass ich in meinem Alter die Erfahrung habe, die ich habe. Fünf Platten aufgenommen zu haben und auf mehreren Tourneen gewesen zu sein. Das ist wirklich schön.

«Portraits»
VÖ: 18.08.2023

Portraits
Tracklist
  1. Paradise Calling
  2. Raincatchers
  3. Ruins I
  4. Your Arms
  5. Heartbreaker
  6. I Wish I Was a Shooting Star
  7. Portraits
  8. Ruins II
  9. Automatic
  10. Battlefield
  11. Tears Don’t Fall
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Indiespect: Du bist die Tochter eines Autoren und einer Konzertpianistin. Hast du früher jemals daran gedacht, ein anderes Instrument als das Klavier zu lernen?

Birdy: Nein, das durfte ich nicht (lacht). Ich hatte eine kostenlose Klavierlehrerin. Ich habe ein bisschen Geige gelernt, als ich jung war, aber mit dreizehn habe ich aufgegeben. Aber nein, als ich als Baby meiner Mutter beim Spielen zuhörte, fühlte ich mich zum Klavier hingezogen und war davon begeistert. Ich wollte spielen und konnte mich nicht davon fernhalten.

Birdy

© Thibault-Théodore

Birdy ist 27 und hat gerade ihr fünftes Studioalbum veröffentlicht.

Indiespect: Aber wie du schon sagtest, schreibst du deine Songs nicht nur mit dem Klavier, richtig?

Birdy: Ja, es ändert sich immer mal wieder. Verschiedene Instrumente haben unterschiedliche Gefühle und führen zu einer anderen Art von Songs. Die Gitarre ist viel leichter und rhythmischer als das Klavier. Irgendwie schreibe ich immer nur traurige Songs auf dem Klavier (lacht). Für diese Platte habe ich nicht wirklich viel mit Klavier geschrieben – es gab nur Synthesizer und Drumcomputer.

Irgendwie schreibe ich immer nur traurige Songs auf dem Klavier.

birdy über ihren schreibprozess

Peetree ist zu Birdy zurückgekehrt - und hoffentlich lebt sie glücklich bis an ihr Lebensende.

Indiespect: Eine letzte Frage, die nichts mit Musik zu tun hat, nur weil diese Geschichte so süss war. Du hast einmal eine kleine Ente adoptiert. Gab es mittlerweile noch ein anderes Tier, dem du in der Zwischenzeit das Schwimmen oder Fliegen beigebracht hast?

Birdy: Nein, sie ist eine ganz besondere Ente. Ich glaube nicht, dass es eine andere geben könnte. Aber sie ist immer noch da. Es zog sie zurück in die Wildnis, doch dieses Jahr kam sie zurück und hat Babys bekommen. Wir haben sie jeden Tag gefüttert, und sie kam ins Haus, nachdem sie ein Jahr lang weg war. Sie hat acht Küken bekommen, die erst vor kurzem geschlüpft sind. Es sind nur noch fünf übrig, was traurig ist. Sie werden immer aufgefressen. Aber es geht ihr gut. (lacht)

Indiespect: Ich bin so froh, das zu hören. Vielen Dank für deine Zeit und alles Gute für dein Album.

Birdy: Ich danke dir vielmals. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder in Zürich!