Zürich Openair 2023: The Killers, Marteria, AJR und die grosse Hitze

In Reviews by indiespect

Mit dem Zürich Openair neigt sich der Festivalsommer dem Ende zu. Nachdem Robbie Williams am Tag zuvor seinen Legendenstatus gefestigt hat, brachten The Killers, Marteria und AJR die Crowd am zweiten Festivaltag in Stimmung. Die Temperaturen um die 34 Grad waren vor allem bei den früheren Auftritten eine Herausforderung. Die Acts liessen sich davon jedoch nicht entmutigen und schwitzten sich springend durch ihre Sets, bevor The Killers das Gelände in eine Indie-Disco verwandelten.

AJR: Musiknerds mit einem Riecher für Hits

Im Oktober 2022 haben AJR bereits eine Headlineshow im Zürcher X-Tra gespielt. Damals traten sie vor beinahe vollem Haus auf und die Temperaturen waren andere. Dies zu erwähnen ist wichtig, da Sänger Jack Met selbst bei 34 Grad die Bühne mit einer flauschigen Mütze betritt und diese auch nicht auszieht. Immerhin haben die drei Brüder aus Brooklyn und ihre Band die kurzen Hosen montiert, sonst müsste man sich Sorgen machen. In dieser Hitze finden noch nicht allzu viele Festivalbesucher den Weg zum ersten Konzert des Tages auf der Main Stage. Das Trio wirkt aber dankbar, dass es überhaupt Mutige gibt, die der sengenden Sonne trotzen. Belohnt werden diese mit Hit, um Hit, um Hit. AJR sind musikalische Nerds, die an ihren Kompositionen tüfteln wie ein Chemiker an einer bahnbrechenden Formel im Labor. Das zeigt sich besonders schön bei Bang!, welches Ryan Met in Apple-Keynote-Manier von Grund auf seziert. Der musikalische Aufbau wird nebst der Erklärung des Keyboarders mit passenden, aufwändigen Darstellungen auf dem grossen Screen visualisiert. Das ist grosses Kino und macht die Jungs noch liebenswürdiger, als sie sowieso schon wirken. Wer die Band hört und nicht beeindruckt ist, ob deren Kreativität, wird wohl auch sonst nicht viel von Musik halten. Gemeinsam mit ihrer Trompeterin liefern die US-Amerikaner eine kraftvolles Set ab. Der kurze Slot sorgt dafür, dass die Kracher gebündelt kommen. Mit Bang! und Weak als Abschluss setzen AJR ein Ausrufezeichen.

AJR

Jack Met von AJR trägt trotz 34 Grad eine Mütze.

Marteria: Wie ein aus dem Winterschlaf geweckter Bär

Es wirkt irgendwie seltsam, Marteria bei Tageslicht zu sehen. Alles an seiner Musik, der Performance und den Visuals ist für einen Slot mitten in der Nacht ausgelegt. Gefühlt sollte der Rostocker eher um 1:30 als um 19:15 Uhr auf der Bühne stehen. Scheinbar sind auch viele nachtaktiven Fans noch nicht wach, denn vor der Bühne bleibt überraschend viel Platz. Marteria gibt alles, obwohl es wirkt, als wäre ein Bär mitten aus dem Winterschlaf geweckt worden. Ähnliche Phänomene gab es schon als Die Ärzte 2013 am Zürich Openair und dem Openair St. Gallen bei Tageslicht auftraten. Dort fühlte es sich eher so an, als hätte man einen Vampir aus seinem Sarg geholt und den tödlichen Sonnenstrahlen ausgesetzt. 

Alles blitzt, Nebel bricht,
Türkises Licht, Ziel in Sicht
Viel zu dicht, hier ist's low.
Scotty, Scotty beam mich hoch!

Scotty Beam mich hoch, Marteria

Nichtsdestotrotz wummern die Bässe durch den ganzen Körper und Marteria tut, was ein Marten tut: Er animiert seine Fans zum Springen, Tanzen und Bouncen. Es ist für den Rapper wahrscheinlich nicht das schönste seiner zahlreichen Konzerte in der Schweiz, aber die Liebesgeschichte zwischen Marteria und Zürich, die schon im Abart begonnen hat, wird auch das überstehen.

Marteria

Marteria in Anglerkluft am Zürich Openair.

The Killers: Ein repertoire für eine komplette indie-Party

Mit den Kompositionen der Killers könnte man im Alleingang eine heisse Indie-Partynacht bestreiten. Es gibt so viele unvergessene Perlen, welche die Band aus Las Vegas gefühlt alle live in die noch immer angenehm warme Nachtluft schmettert. Vor Kurzem hatte die Band um Brandon Flowers eine eher unglückliche Figur gemacht. Bei einem Konzert in Georgien baten sie für For Reasons Unknown einen Fan auf die Bühne – um Brüderlichkeit zu demonstrieren meinte Flowers unbedarft: This guy is a Russian. Are you okay with a Russian coming up here? Der gläubige Brandon Flowers wird sich als Vermittler gesehen haben, aber das kam im in Teilen von Russland besetzten Georgien alles andere als gut an. Auch seine Erklärungsversuche und der Wunsch nach Versöhnung gingen in die Hose. So wirkte er eher wie ein ignoranter Amerikaner, der keine Ahnung hat, wie die Situation im Auftrittsland ist. 

I said, my heartIt don't beat, it don't beat the way it used toAnd my eyes don't recognize you no moreAnd my lipsThey don't kiss, they don't kiss the way they used toAnd my eyes don't recognize you no more

For Reasons Unknown, The Killers
The Killers

The Killers in der mächtigen kulisse der ZOA-Bühne.

Brandon Flowers tankt liebe in Zürich

Böse Absichten möchte man dem Killers-Frontmann nicht unterstellen, aber die Erfahrung dürfte ihm auch knapp zehn Tage später noch in den Knochen stecken. Es ist förmlich spürbar, wie gut ihm die Liebe tut, die vom Zürcher Publikum in seine Richtung kommt. Die Band bedankt sich im Gegenzug mit einem Set, das sich so anfühlt, als würde es nur aus Zugaben bestehen. Eröffnet wird mit My Own Soul's Warning bevor das ikonische Enterlude einen Hit-Hattrick, bestehend aus When You Were Young, Jenny Was A Friend of Mine und Smile Like You Mean It einleitet. Die Harmonien im Gesang von Brandon Flowers sind so einzigartig, dass sie von keiner anderen Band stammen könnten. The Killers wandeln zwischen klassischem Indie-Rock, der Wüstenluft Nevadas und einem Hauch Gottesdienst. Wie früher tigert der Frontmann über die Bühne und stellt sich immer wieder hinter sein ikonisches Keyboard in Form eines beleuchteten k. Dass Brandon Flowers eigentlich Bassist ist, vergisst man häufig. Für For Reasons Unknown greift er wieder einmal zu seinem Instrument Mit den Händen am Bass wirkt er ganz anders, als wenn er sich mit ausladenden Gesten nur aufs Singen konzentriert.

You sit there in your heartacheWaiting on some beautiful boy toTo save you from your old waysYou play forgivenessWatch it now, here he comes

When You Were Young, The Killers
The Killers

Leuchtendes «K» und Konfetti: So geht ein Auftritt von The Killers.

Den Zeitdruck im Genick

The Killers haben ihr Konzert mit knapp 10-minütiger Verspätung begonnen, die dazu führt, dass sie am Ende auf das Verlassen der Bühne vor den Zugaben verzichten. Flowers meint dazu: There's a very strict curfew, that's why we don't leave the stage before the encore – very rock'n'roll! Aber auch vorher konnte man den Zeitdruck schon einmal spüren. Bei All The Things That I've Done lässt er die Fans gefühlt nur zwei statt fünf Minuten im Chor I got soul, but I'm not a soldier singen. Alles hat seine Vorteile, denn das war bei früheren Killers-Shows teilweise ziemlich anstrengend. Mit ihrem Best-of-Set spielt sich die Band aus Las Vegas in einem Mordstempo ein weiteres Mal in die Herzen zahlreicher Fans. Mit einer starken Songauswahl und Performance schicken The Killers mit Mr. Brightside viele glückliche Menschen in eine Nacht, welche die Hitze des Tages überwunden hat..

Coming out of my cageAnd I've been doing just fineGotta gotta be downBecause I want it allIt started out with a kissHow did it end up like this?

mr. brightside, The Killers
The Killers

Von Konfetti- zu funkenregen: The Killers ziehen sämtliche Register

Fazit

Auch der zweite Festivaltag war richtig heiss. Aber nicht nur die Temperaturen, sondern auch die Bands sorgen für schweisstreibende Momente. Gefühlt wurde Marteria im falschen Slot platziert, aber ansonsten boten die verschiedenen Genres ein abwechslungsreiches Programm, bei dem für verschiedene Geschmäcker etwas dabei war. Ein grosses Lob geht an dieser Stelle an die Infrastruktur des diesjährigen ZOA. Noch nie hat das Festival so harmonisch, aufgeräumt und vielseitig gewirkt. Es gibt genügend Sitzplätze im Schatten, unzählige Toiletten und eine vielseitige Auswahl an frischem Essen. Auch das gehört nebst der Musik zu einem richtigen Festival dazu.

The Killers