Interview mit Birdy: Ich warte einfach, bis die Inspiration zuschlägt

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Birdy spielte ihr erstes Konzert im Jahr 2024 am 8. April am Zermatt Unplugged. Das Festival findet nicht nur in einer wunderschönen Kulisse am Fusse des weltberühmten Matterhorns statt, sondern die Künstler werden auch ermutigt, ein spezielles Unplugged-Set zu spielen. Birdy hat sich dieser Aufgabe verschrieben und einen Flügel sowie ein Streichquartett auf die Bühne gebracht. Im Interview vor der Show erklärte sie, wie sie ihre Show geplant hat, sprach über Coversongs, Remixe und ihre Herangehensweise, neue Musik zu kreieren.

Editors are:

Tom Smith (vocals, guitar, keys)
Russell Leetch (bass)
Ed Lay (drums)
Justin Lockey (guitar)
Elliott Williams (synths, guitar)
Benjamin John Power (synths)

Indiespect: Dein aktuelles Album «Portraits» ist im August 2023 erschienen. Wie fühlt es sich für dich an, jetzt, wo du die Songs auf die Bühne gebracht hast?

Birdy: Es war etwas gewöhnungsbedürftig, nicht mehr die ganze Zeit am Klavier zu sitzen, dafür Synthesizer zu spielen und sich viel mehr zu bewegen, aber es hat sich gut angefühlt. Es war schön zu sehen, wie die Leute darauf reagiert haben. Ich glaube, einige hatten etwas Angst davor, weil es so anders war. Aber die Leute scheinen es auch genossen zu haben, sie haben sich viel bewegt. Das war schön zu sehen.

Indiespect: Stimmt es, dass dies dein erstes Konzert im Jahr 2024 ist?

Birdy: Ja, das ist es tatsächlich.

Ich glaube, einige hatten etwas Angst davor, weil es so anders war.

BIRDY ZUR VERÖFFENTLICHUNG VON «PORTRAITS»

Indiespect: Bist du nach einer Tour-Pause nervöser als sonst?

Birdy: Ich bin ein bisschen nervös. Ich war gestern Abend nervös, mir war ein bisschen schlecht. Aber heute spüre ich die Vorfreude. Den Veranstaltungsort zu sehen und die Energie dieses Ortes zu spüren, ist cool.

Birdy

© Julius Hatt

Die Goodies von Zermatt Unplugged: Birdy kann bei ihren Konzerten nur selten auf einem Flügel spielen.

Indiespect: Ich habe in deinen Instagram-Stories gesehen, dass du ein spezielles Set für Zermatt Unplugged vorbereitet hast. Wie wird es sich von euren üblichen Konzerten unterscheiden?

Birdy: Weil es unplugged sein soll, performen wir eine eher akustische Version von einigen der Songs, und es wird mit 4 oder 5 beginnen, nur mit Klavier und meinem Gesang. Dann kommt ein wirklich fantastisches Streichquartett dazu und wir werden ein paar Songs in dieser Formation spielen. Am Ende folgt die Band, was wirklich schön wird. Ich freue mich sehr.

Indiespect: Kannst du schon sagen, was für ein Klavier du spielen wirst? Ist es ein Flügel?

Birdy: Es ist tatsächlich ein Flügel. Ausnahmsweise habe ich mal ein richtiges Klavier. Das habe ich nie, wenn wir auf Tournee sind, weil es so schwer ist, den Sound auszubalancieren, und es ist natürlich schwierig, ein richtiges Klavier herumzufahren. Das ist also ein wahrer Genuss für mich.

Ausnahmsweise habe ich mal ein richtiges Klavier. Das habe ich nie, wenn wir auf Tournee sind.

BIRDY ÜBER DAS SPIELEN EINES FLÜGELS AUF DER BÜHNE

Indiespect: Musstest du die neuen Songs von Grund auf neu arrangieren? Einige davon wurden ja mit Drumcomputern geschrieben und nicht mit dem Klavier, oder?

Birdy: Ja. Von einigen habe ich schon Versionen gemacht und sie dann einfach mit den Streichern verschönert – wie Raincatchers von meiner neuen Platte. Das eignet sich wirklich gut für ein Streichquartett, wenn man die Synthies weglässt. Es klingt immer noch sehr schön und irgendwie klassisch.

Birdy

© Julius Hatt

Birdy begann die Show ganz alleine.

© Stefan Tschumi

Indiespect: Denkst du darüber nach, weitere Shows mit dem Streichquartett zu machen, oder bleibt es eine einmalige Sache?

Birdy: Ich habe darüber nachgedacht, weil es sich gut anfühlt. Manchmal denke ich sogar, dass meine Musik besser rüberkommt, wenn sie etwas reduzierter ist. Aber wenn du auf einem grossen Festival spielst, braucht es etwas mehr, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu halten. Es ist immer schwierig, sich zu entscheiden.

Manchmal denke ich sogar, dass meine Musik besser rüberkommt, wenn sie etwas reduzierter ist.

BIRDY ÜBER DAS UNPLUGGED-SPIELEN

Indiespect: Wie schaffst du es, die Energie deiner neuen Songs zu erhalten? Ist das überhaupt möglich oder sind sie jetzt eher ruhig?

Birdy: Sie sind ein bisschen ruhiger. Raincatchers hat meiner Meinung nach immer noch ziemlich viel Energie. Wir werden heute Abend auch Paradise Calling spielen, das ganz anders ist. Es ist viel emotionaler und eine traurige Version des Songs. Denn eigentlich ist der Text in allen Songs traurig. (lacht)

Indiespect: Wirklich? Er ist so kraftvoll, dass ich das bis jetzt nicht bemerkt habe.

Birdy: Ja, eigentlich schon. Die meisten meiner Texte sind traurig, aber das ist teilweise gut verschleiert. Aber deswegen sollte es in der neuen Version gut funktionieren.

Birdy ist an akustische Auftritte gewöhnt.

Indiespect: Aber das liegt nicht daran, dass du immer traurig bist, oder?

Birdy: Es ist eine Mischung. Manchmal bin ich traurig und schreibe darüber, aber teilweise geht es auch um andere Dinge oder Menschen und Geschichten.

Als ich Portraits gemacht habe, habe ich PJ Harvey und Kate Bush gehört, und das hat diese Platte inspiriert.

Birdy über ihre inspiration

Indiespect: Auf deinem ersten Album und auch auf deinen Social Media Kanälen spielen Covers eine wichtige Rolle. Hilft dir das beim Schreiben eigener Musik?

Birdy: Ich glaube schon, ja. Wenn ich ein Cover mache, dann normalerweise, weil ich von dieser Person wirklich inspiriert wurde und ich ihre Musik sehr oft gehört habe. Als Künstler nimmt man definitiv neue Musik in sich auf. Als ich Portraits gemacht habe, habe ich PJ Harvey und Kate Bush gehört, und das hat diese Platte inspiriert.

Indiespect: Ich habe aber auch gelesen, dass es für dich am einfachsten ist, Songs zu covern, von denen dir die Leute sagen, dass du sie covern sollst, weil du dann keine tiefe persönliche Verbindung zu ihnen hast und anders an sie herangehen kannst.

Birdy: Ja, das stimmt. Es hilft auch, wenn man den Song nicht so gut kennt. Wenn man ihn wirklich gut kennt, will man oft einfach nur kopieren, was diese Person gemacht hat. Das ist teilweise schwierig.

Birdy

© Julius Hatt

Ein besonderer Rahmen für eine besondere Künstlerin: Die Zeltbühne von Zermatt Unplugged

Indiespect: Gibt es eine Künstler*in, von der du dir ein Cover einer deiner Songs wünschst? Wenn ja, wer und welcher Song wäre das?

Birdy: Darüber habe ich kürzlich nachgedacht, weil ich an Surrender gedacht habe, einen Song von Young Heart. Damals hätte man ihn auf so viele verschiedene Arten aufnehmen können, und man hätte ihn auch richtig pompös singen können, aber es fühlte sich für mich immer falsch an, das zu tun. Ich würde ihn gerne von jemandem wie Nick Cave gesungen hören. Das wäre wirklich cool.

I remember someone did a remix of Shelter years ago, I think it was Photek. It was a dubstep remix, and I absolutely loved it.

Birdy on remixes of her songs

Indiespect: Gibt es schon bekannte Coverversionen deiner Songs?

Birdy: Ich weiss es ehrlich gesagt nicht. Es gibt eine Menge Remixe, zum Beispiel von Keeping Your Head Up. Ich weiss nicht... Vielleicht kennst du welche? Ich würde sie gerne hören.

Indiespect: Ich auch! Apropos Remixe. Du hast eine zweite Version von «Portraits» mit zusätzlichen Remixen der Songs veröffentlicht. Für mich als Hörer sind sie meistens ein bisschen unnötig, weil der ursprüngliche Song schon durchdacht war. Hast du das Gefühl, dass sie dem Song etwas Neues hinzufügen? Wie ist das für dich als Künstlerin?

Birdy: Für mich ist es einfach eine ganz andere Sache. Es ist etwas Eigenes. Eine neue Kreation, die nur Teile des Songs verwendet. Ich mag sie. Nicht alles davon. Manchmal mag ich sie nicht. Aber ich erinnere mich, dass jemand vor Jahren einen Remix von Shelter gemacht hat, ich glaube, es war Photek. Es war ein Dubstep-Remix, und ich habe ihn richtig geliebt. Er hat mich so emotional berührt. Es ist sehr düster, aber cool.

Birdys Lieblings-Remix: Photek's Version von «Shelter»

Indiespect: Im Jahr 2022 wurde dein Song «Quietly Yours» als Titelsong für den Netflix-Film «Persuasion» verwendet. Hast du darüber hinaus eine Verbindung zu Jane Austen oder gar nicht?

Birdy: Nicht besonders. Ich bin mit Jane Austen aufgewachsen, habe ihre Bücher gelesen und die Filme gesehen. Ich weiss noch, wie besessen ich von Sinn und Sinnlichkeit war, als ich jung war. Aber ich lasse mich immer sehr vom Film inspirieren - ich sehe mir Filme an und schreibe dazu. Es ist also immer aufregend für mich, etwas in diese Richtung zu tun.

Ich weiss noch, wie besessen ich von Sinn und Sinnlichkeit war, als ich jung war.

Birdy über «Quietly Yours»

Indiespect: Hat dich in diesem Fall eher die Adaption als das ursprüngliche Buch inspiriert?

Birdy: Nein, ich glaube, es ist die Geschichte. Da ich den Film damals noch nicht erhalten hatte, habe ich mir eine frühere Version angesehen, als ich für den Film schrieb. Ich fand die Geschichte einfach so bewegend. Ich meine, ich kannte sie aus dem Buch, aber sie zu sehen, war wirklich inspirierend.

Birdy

© Julius Hatt

Birdy schreibt ihre Songs auch mit der Gitarre.

Indiespect: Ich weiss, dass du dich sehr für die Malerei und Kunst im Allgemeinen interessierst. Findest du noch Zeit, Bücher zu lesen, oder nicht wirklich?

Birdy: Ich habe nicht immer Zeit. Als ich jünger war habe ich viel mehr gelesen und dann ein bisschen nachgelassen. Aber wenn ich lese, liebe es wirklich. Das letzte Buch, das ich gelesen habe, war Klara und die Sonne, das ist jetzt schon eine Weile her. Es ist ein wunderschönes Buch über die Übernahme der Macht durch Roboter (lacht). Es war wirklich cool. Ich muss mehr lesen.

Das letzte Buch, das ich gelesen habe, war Klara und die Sonne, das ist jetzt schon eine Weile her. Es ist ein wunderschönes Buch über die Übernahme der Macht durch Roboter.

birdy über das lesen von büchern

Indiespect: Ich habe mich eben gerade gefragt, ob andere Kunstformen dir beim Schreiben von Songs helfen oder woher du deine Inspiration nimmst.

Birdy: Ja, das tun sie. Ich meine, Lesen, Filme, die Natur und verschiedene Orte, inspirieren mich. Meine frühen Platten sind von dem Ort inspiriert, an dem ich aufgewachsen bin, da war es sehr wild und abgelegen. Die anderen Platten sind davon inspiriert, dass ich von zu Hause weg bin, es vermisse und in einem fremden Land bin.

«Raincatchers» funktioniert mit Synthesizern und unplugged.

Indiespect: Schreibst du ständig oder nimmst du dir gezielt Zeit, wenn du an einem Projekt arbeiten willst?

Birdy: Ich warte einfach bis die Inspiration zuschlägt. Manchmal ist es so, dass ich zwei Monate nicht schreibe. Du denkst dir dann: Irgendetwas ist mit mir passiert, wo ist sie geblieben? Und dann ist sie plötzlich wieder da, und einen Monat lang kommen erstaunliche Dinge aus dir heraus.

Eigentlich geniesse ich die Herausforderung, zu versuchen, ein Festival-Publikum bei der Stange zu halten.

Birdy über festival-Auftritte

Indiespect: Jetzt hast du eine Pause bis Ende Mai, ab dann stehen Festivals auf dem Programm. Das wird ein ganz anderes Publikum sein als heute Abend. Hast du manchmal auch Angst vor solchen Shows, weil die Leute an laute Gitarren und wilde Beats gewöhnt sind?

Birdy: Manchmal (lacht). Ich weiss nicht, eigentlich geniesse ich die Herausforderung, zu versuchen, ein Festival-Publikum bei der Stange zu halten. Es ist sehr befreiend und schön. Es gibt keinen Druck für die Leute zu bleiben und sie kommen und gehen. Wenn man ein großes Publikum hat, dann denkt man: Toll, sie wollen hier sein und sie haben sich entschieden, hier zu bleiben, was cool ist.

Birdy

© Julius Hatt

Birdy winkt dem Publikum in Zermatt zu.

Indiespect: Als Kind liebte ich Britney Spears...

Birdy: Mhm, ich auch.

Ich wurde vorwiegend von meinem Vater beeinflusst. Wir haben die gleichen Dinge geliebt.

birdy über ihre musikalischen einflüsse

Indiespect: …und hörte jeden Sonntag die Charts im Radio. Erst als ich älter wurde, entdeckte ich Indie- und Alternative-Musik durch Fernsehserien wie O.C. California. Wurdest du hauptsächlich von der Musik deiner Eltern beeinflusst, da deine Mutter Klavierlehrerin war, oder wie hat sich dein Musikgeschmack entwickelt?

Birdy: Ich glaube, das kam erst viel später. Ich wurde vorwiegend von meinem Vater beeinflusst. Wir haben die gleichen Dinge geliebt, also denke ich, dass es von ihm kam. Da war Tracy Chapman, Bob Dylan und eine bunte Mischung aus allem. KT Tunstall ist einer meiner frühen Einflüsse, und ich glaube, er hat mir das vorgespielt. Aber als ich dann älter wurde, entdeckte ich Joni Mitchell. Ich weiss nicht, ob mein Vater Joni Mitchell gehört hat. Nein, er hat sie mir nie vorgespielt. Das ist also meine eigene Entdeckung.

Indiespect: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.

Birdy: Ich danke dir!